Disrupting Procurement: Zweck, Beitrag und Nutzen, bitte!

Liebe Leserinnen und Leser des Mehrwert-Blogs. Als ich diesen Beitrag auf der Seite des BME (Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V.) entdeckt habe, fielen mir sofort die Parallelen zu HR und der aktuellen Einstellungspraxis auf. Überzeugen Sie sich am Besten selbst.

Ein Gastbeitrag von Tobias Anslinger (BME)

Bei der vierten Auflage der BME-Fachkonferenz „Disrupting Procurement!“ ging es um die großen Themen der Zukunft – und um die Herausforderungen des Alltags. Digitale Technologien und Kompetenzen sind für beide nicht das Problem, sondern die Lösung.

Einfach mal machen. Auch im Einkauf.

„Disrupt or be disrupted?“ Diese Frage stellte sich das Organisationsteam im Vorfeld der diesjährigen Veranstaltung und griff damit auch ein wenig den Diskussionen der vergangenen Jahre vor, in denen oft nicht ganz klar war, ob es um „Disrupting“ oder „Disruptive“ Procurement geht. Soll der Einkauf der Zukunft positiv zerstörerisch sein in dem Sinne, dass er Neues schafft, oder geht es darum den Einkauf in seiner jetzigen Form zu zerstören, abzuschaffen, weil es ihn so vielleicht gar nicht mehr braucht?

So oder so – „Disrupt or be disrupted?“ passte als Motto ganz gut in ein Jahr, das mal wieder die Weichen stellen wird, nicht nur für den Einkauf, sondern ganz generell für viele Unternehmen, die Wirtschaft und die Gesellschaft. Die Vorträge und Impulse der zweitätigen Online-Fachveranstaltung, die aus Keynotes, Start-up Pitches, Workshops und Coffee Talks bestand, thematisierten stark die Umbrüche, die die digitale Transformation hervorruft und die durch die Pandemie einen zusätzlichen Schub erhalten haben.

Einkauf fehlt oft das Mandat

Immer wieder ging es dabei um die Fragen: Was ist eigentlich der Zweck des Einkaufs, neudeutsch „Purpose“? Welchen Nutzen muss der Einkauf stiften und für wen? Und welche Kompetenzen braucht er dafür, die er heute noch nicht hat?

Traditionell geht es im Einkauf meist immer noch in erster Linie um Savings, Versorgungssicherheit und eine damit verbundene Harmonisierung von Systemen und Prozessen.

Der Einkauf hat per se kein Mandat zum Wertschaffen,

brachte ein Teilnehmer das Problem vieler Einkaufsabteilungen auf den Punkt. Ein Problem, das in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zum Dilemma wird: Denn wer nur als „Kostenverursacher“ wahrgenommen wird, hat es schwer, Budgets für Investitionen in Innovationen freigegeben zu bekommen, die notwendig sind, um vom Kostenverursacher zum Wertschaffer zu werden. Ein Teufelskreis.

Nutzen des Procurement

Bevor sich das Fremdbild des Einkaufs im Unternehmen ändert, muss dieser erst mal am Selbstbild arbeiten: Der Nutzen des Procurement muss künftig auch darin liegen, unmittelbar zur Kundenzufriedenheit beizutragen und dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Der Einkäufer der Zukunft ist Inhouse Consultant und Mitentwickler neuer Geschäftsmodelle mit maximalem Kundenfokus gleichermaßen. Diese Sichtweise auf die Dinge hat sich erst in wenigen Einkaufsabteilungen durchgesetzt.

Disrupting Procurement 2021: RPA und KI erlebbar

Neben den Grundsatzthemen zur Zukunft des Einkaufs wurden auch in diesem Jahr wieder gezielt Technologiefragen adressiert und diskutiert. Erfreulich zu sehen war dabei, dass die Anwendungsbeispiele in der Unternehmenspraxis konkreter werden. Mittlerweile lässt sich etwa Robotic Process Automation (RPA) oder Künstliche Intelligenz nicht mehr nur theoretisch erklären, sondern auch praktisch darstellen, wovon sich die Teilnehmer der Fachkonferenz auch überzeugen konnten.

Gerade solche Erfahrungen sind es, die einen „Wenn die das können, können wir das auch“-Ruck geben und ein „Einfach mal machen“-Verhalten im Umgang mit Veränderung im Unternehmen fördern können. Menschen müssten zu Kreativität ermutigt werden, ohne aber Angst vor Kontrollverlust zu haben, war zu hören. Der Umgang mit Technologie in Unternehmen sollte aber ähnlich spielerisch möglich sein wie im privaten Umfeld. Hier würden nach Ansicht mancher Teilnehmer viele digitale Lösungen für Einkauf und Supply Chain Management allerdings noch hinterherhinken.

Kompetenz statt Erfahrung

Intelligente Systeme wollen auch intelligent betrieben werden und so lautete ein Appell der Fachkonferenz „Mindset vor Erfahrung“ – im Zweifel also lieber den Bewerber mit der richtigen Einstellung zur Zukunft einstellen, mit Affinität zu Technologie, als den mit der Berufserfahrung.

„Verhandlungskompetenz wird in zehn Jahren im Einkauf keine Rolle mehr spielen“,

war in einem Referat als Prognose zu hören. Noch ist also ein wenig Zeit, sich auf den sich verändernden Zweck, Beitrag und Nutzen des Procurement einzustellen, egal ob Sie es in Ihrem Unternehmen am Ende neu erfinden, umbauen – oder begraben.

Save the date: 5. Disrupting Procurement, voraussichtlich im April 2022, Details folgen.

Autor Tobias Anslinger

ist ausgebildeter Journalist, diplomierter Betriebswirt und promovierter Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler mit Schwerpunkt Organisationsforschung. Bevor er 2018 als Chefredakteur von BIP – Best In Procurement zum BME e.V. wechselte, hat er fünf Berufsjahre im Fachverlag der FAZ verbracht und dort für unterschiedliche Wirtschaftsmedien crossmedial gearbeitet, zunächst als Redakteur und später in leitender Funktion als Chefredakteur. Vor seinem Wechsel in die FAZ-Gruppe war Anslinger über mehrere Jahre im Hochschulwesen tätig, sowohl in Forschung und Lehre als auch im Management. Er ist nebenberuflich als Hochschullektor am MCI Management Center Innsbruck in wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen engagiert.

Tobias Anslinger auf LinkedIn.

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